Eine Hafterstehungsfähigkeitsabklärung oder Kurzbegutachtung wird durch die Staatsanwaltschaft angeordnet. Sie erfolgt in der Regel zeitnah, resp. wenn die Haft unmittelbar erfolgt sofort (am gleichen Tag) und gilt in dem Sinn als "notfallmässig". Aufgrund der kurzen Zeit fällt die Untersuchung und das Kurzgutachten kurz aus. Bei unkomplizierten Fällen genügt in der Regel nach dem Untersuch eine telefonische Rückmeldung bezüglich der allfälligen vorliegenden oder eben nicht vorliegenden Probleme bei einer Inhaftierung. Dr. Aschwanden wird immer die Untersuchung (inkl. Aktensichtung) und die daraus erfolgen Schlüsse schriftlich festhalten. Auf Wunsch wird der Staatsanwaltschaft ein Kurzgutachten zugestellt. (Abrechnung im Amtsarzttarif, d. h. UVG-Tarif, CHF 16.50/5 Min.)
Wichtig zu wissen bez. Zumutbarkeit einer Haftstrafe ("Hafterstehungsfähigkeit"):
- Kein medizinischer (psychiatrischer) Befund
- Keine Fähigkeit in eigentlichem Sinn
- Keine Diagnose
sondern
eine Rechtsfrage, die allein der Richter (kurzfristig der Staatsanwalt) entscheidet
Zu beachtende Kriterien:
- Strafauftrag des Staates
- Persönlichkeit des Gefangenen (das Recht, durch den Vollzug einer Haft nicht dauernden gesundheitlichen Schaden zu erleiden)
- Persönlichkeitsreche der Mithäftlinge und des Anstaltspersonal (tätliche Übergriffe, ansteckende Krankheiten, physische und psychische Belastung)
- Schonung der Staatskasse vor übermässigen Vollzugskosten (z. B. Pflegebedürftige im Gefängnis)
- Beurteilung der Zumutbarkeit ist nicht eine ärztliche, sondern eine juristische Aufgabe
Medizinisch-psychiatrisches Gutachten hat nicht zur Frage Stellung zu nehmen, ob die „Hafterstehungsfähigkeit“ gegeben beziehungsweise der Vollzug einer Haft zumutbar sei oder nicht.
Darlegung der medizinischen (psychiatrischen) Entscheidungskriterien:
- Krankheit vorhanden? Unter Haftbedingung behandelbar?
- Art und Auswirkung der Haft auf die diagnostizierte Krankheit?
- Bei Verschlimmerung der Krankheit Überführung in ein Spital/Klinik gewährleistet?
Wann erfolgt eine Abklärung / Begutachtung:
- Nach der vorläufigen Festnahme eines Beschuldigten
- Vor der Invollzugsetzung eines Haftbefehls
- Während der Untersuchungshaft
- Vor Antritt einer Freiheitsstrafe
- Nach Strafantritt
Häufige zu beurteilende „Probleme“:
- Psychotische Zustandsbilder: i.d.R. Hospitalisation zur Einleitung der Therapie (je nach Gefährlichkeit Behandlung in Sicherungshaft notwendig)
- Intoxikation / Abhängigkeit: allenfalls kurze Einweisung in eine Klinik notwendig (bei unklarer Intoxikation, bei schwerer Alkoholabhängigkeit, Drogensüchtige mit Epilepsie)
- Suizidalität in Zusammenhang mit einer schweren Depression oder Psychose (zu unterscheiden von den sehr häufigen manipulativen Suiziddrohungen)
- Platzangst: Angststörung in bisherigem Leben prüfen! Ein Gefängnisaufenthalt ist "die beste Platzangst-Therapie" und jeder gewöhnt sich mit der Zeit an eine Zelle, d. h. Platzangst ist i.d.R. kein Problem in der Haft (und wird meist nur manipulativ vorgebracht)
- Demenz oder schwere körperliche Erkrankung mit Pflegebedürftigkeit
Zu häufige, d. h. fehlerhafte Empfehlung von „Haftunfähigkeit“ wegen:
- Unzureichende Kenntnis der Lebensbedingungen in Haftinstitutionen
- Ungenügende Kenntnis der gesetzlichen Bestimmungen
- Unreflektierte Anteilnahme am Freiheitsentzug
- Gefühl der Omnipotenz
- Inkompetenz